Einige Baracken weiter

Das Männerlager
im Frauenkonzentrationslager
Ravensbrück

In Ravensbrück bei Fürstenberg lag das zentrale Frauen-Konzentrationslager des Deutschen Reichs.

Unter den Inhaftierten waren auch 20.000 Männer.

Warum gab es ein Männerlager in einem KZ für Frauen? Wer waren diese Menschen?

Von 1939 bis 1945 inhaftierte die SS etwa 142.000 Menschen im Lagerkomplex Ravensbrück.

Die Deportierten wurden aus über 30 Ländern verschleppt, unter ihnen Jüdinnen und Juden sowie Sinti:zze und Rom:nja.

Zum KZ Ravensbrück gehörten über 40 Außenlager.

Auch dort mussten die Häftlinge Zwangsarbeit leisten.

Sie erstreckten sich von der Ostseeküste bis in die Steiermark.

Fürstenberg liegt 90 km nördlich von Berlin.

Das Lager befand sich abseits im Wald.

Es war über Wasser- und Schienenwege und die Reichsstraße 96 zentral angebunden.

Für den Aufbau des Lagerkomplexes brachte die SS bereits ab 1938 männliche Häftlinge aus anderen Lagern nach Ravensbrück.

Im April 1941 wurde ein dauerhaftes Lager für männliche Häftlinge in Ravensbrück eingerichtet.

Die Inhaftierten wurden im Bau und im Handwerk eingesetzt.

Später auch in der Landwirtschaft und in der Rüstungsindustrie.

Die Lebensbedingungen im Männerlager waren hart und die Versorgungslage unzureichend.

Die Sterblichkeit war hoch.

Die Überlebenschancen der Häftlinge sanken nochmals in den letzten Wochen vor der Befreiung.

Viele wurden Opfer von willkürlichen Tötungen und systematischen Mordaktionen.

Nach 1945 wurde kaum an das Männerlager Ravensbrück erinnert.

Diese Ausstellung macht nun seine Geschichte in 30 Biografien sichtbar.

  • Jozef Kwietniewski

Józef Kwietniewski

Józef Kwietniewski (1903-1969) war als Teil der polnischen Minderheit für ein unabhängiges Polen engagiert. Nach Kriegsbeginn wurde er festgenommen. In Ravensbrück inhaftiert, wurde er als Lagerschreiber eingesetzt. Er führte Buch über die eintreffenden Häftlinge. Es gelang ihm, die Nummernbücher bei der Befreiung aus dem Lager zu schmuggeln.

Warum war Jozéf Kwietniewski im KZ inhaftiert?

Józef Kwietniewski, aus einer polnischen Familie in Deutschland, engagierte sich für ein unabhängiges Polen. In den 1930er Jahren zog er nach Schlesien. Die Nationalsozialisten verfolgten gezielt die polnische Minderheit, insbesondere Akademiker:innen und politischen Führungspersönlichkeiten. Kwietniewski wurde einen Tag nach dem deutschen Überfall auf Polen festgenommen.

Welche Funktion hatte das Nummernbuch?

Im Nummernbuch wurden Name, Herkunft und Haftkategorie der ins KZ eingelieferten Gefangenen notiert. Bei Appellen wurde zweimal am Tag die Zahl der Inhaftierten ermittelt.

Kommandos und Kontrolle: Arbeitseinsatz im Männerlager

Im KZ Buchenwald wurde Józef Kwietniewski beim Kanal- und Straßenbau eingesetzt. Im März 1942 wurde er in das Männerlager des KZ Ravensbrück deportiert, wo er Zwangsarbeit beim Aufbau des „Jugendschutzlagers Uckermark“ leisten musste. Ab Dezember 1943 war er Lagerschreiber und führte das Nummernbuch über eintreffende, abgängige und verstorbene Häftlinge.

Das Sammeln von Beweisen als Akt des Widerstandes

Józef Kwietniewski wusste als Lagerschreiber, dass die Nummernbücher als Quelle über die Verbrechen der Nationalsozialisten wichtig sein würden. Darum versuchte er, diese während der Befreiung in einem Rucksack aus dem Lager zu schmuggeln. Dies war eine Aktion von vielen, mit denen Häftlinge versuchten, Beweise der Taten in den Lagern zu sichern.

Das Leben danach

Józef Kwietniewski kehrte nach Bytom zurück und engagierte sich wieder in der Pfadfinderbewegung. 1947–1950 war er stellvertretender Bürgermeister der Stadt, 1961–1969 Abgeordneter des Sejms, dem polnischen Parlament.

Sichtbarmachung der eigenen Erfahrung

Józef Kwietniewski kritisierte früh die fehlende Sichtbarkeit des Männerlagers im offiziellen Ravensbrück Gedenken. Sein Einsatz für die Erinnerung an seine Mitgefangenen zeigt, wie individuelles Engagement gegen das Vergessen wirken kann – und wo die Grenzen früher Nachkriegsnarrative lagen.

Zeit

Davor

1939-1940

Davor

1939-1940

Ab Oktober 1938 setzte die SS etwa 500 männliche Häftlinge aus dem nahegelegenen KZ Sachsenhausen ein, um das Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück zu errichten. Bis Mitte Mai 1939 war der Aufbau des ersten Lagerabschnitts fertiggestellt, die Häftlinge wurden nach Sachsenhausen zurückgebracht. Ab Juli 1940 erweiterten 250 französische Kriegsgefangene das KZ Ravensbrück.

Aufbaulager

1941 - 1943

Aufbaulager

1941 - 1943

Am 8. April 1941 trafen 300 Häftlinge aus der Strafkompanie des KZ Dachau in Ravensbrück ein. Bald darauf folgten Transporte aus Buchenwald und Sachsenhausen. Die Inhaftierten bauten ein separates Lager für Männer mit fünf Wohn- und einer Wirtschaftsbaracke auf. Sie erweiterten den Lagerkomplex Ravensbrück bis 1943 stetig. Schwere Zwangsarbeit, miserable Lebensbedingungen und willkürliche Gewalt forderten viele Opfer. 1942 wurden etwa 300 Häftlinge im Rahmen der Aktion „14f13“ selektiert und in “Euthanasie-Einrichtungen” ermordet.

Expansion

1943–1945

Expansion

1943–1945

Mit der Entscheidung, auch KZ-Häftlinge in der Rüstungsindustrie einzusetzen, wurden im Frühjahr 1943 die ersten Außenlager eingerichtet. In diesen mussten Häftlinge bis 1945 Zwangsarbeit für die Wehrmacht und Privatfirmen leisten. Nach einem Korruptionsfall innerhalb der Lager-SS wurden im November 1943 fünf Häftlinge hingerichtet. In den Erinnerungen zahlreicher Überlebender wird dieses Ereignis als einschneidend beschrieben.

Räumungstransporte

1944-1945

Räumungstransporte

1944-1945

Ein erster Räumungstransport aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau erreichte das Männerlager Ravensbrück im August 1944. Über die nächsten Monate trafen weitere entkräftete Häftlinge aus anderen Lagern ein. Die letzten Räumungstransporte mit etwa 6000 männlichen Häftlingen aus den Lagern Mittelbau-Dora und Watenstedt kamen Mitte April 1945 an. Im Zuge der Auflösung des KZ Ravensbrück wurden mindestens 100 männliche Häftlinge in der Gaskammer ermordet, die genaue Anzahl ist unbekannt.

Todesmärsche und Befreiung

April bis Mai 1945

Todesmärsche und Befreiung

April bis Mai 1945

Kurz vor Kriegsende trieb die SS tausende Häftlinge aus dem Lager auf Todesmärsche. Schwache und kranke Häftlinge brachte sie in das geräumte Siemenslager. Mehrere hundert jüdische Häftlinge wurden in das Auffanglager Wöbbelin deportiert. Ende April 1945 befreite die Roten Armee das KZ Ravensbrück. Für die letzten männlichen Häftlinge, die sich noch in Außenlagern und auf Todesmärschen befanden, endete die Gefangenschaft am 3. Mai 1945. Doch auch nach der Befreiung war das Leid nicht zu Ende: Viele starben infolge ihrer Haft, andere trugen lebenslange Schäden davon. Entwurzelung durch den Verlust von Familie und Heimat waren allgegenwärtig.

Danach

Ab 1945

Danach

Ab 1945

Obwohl bereits1945 erste Erlebnisberichte von ehemaligen Häftlingen veröffentlicht wurden, nahm das Männerlager Ravensbrück Jahrzehnte lang eine untergeordnete Rolle in der Erinnerung ein. Im Zuge von Nachkriegsprozessen wurden einige wenige SS-Angehörige und Funktionshäftlinge verurteilt, jedoch blieb eine umfassende Strafverfolgung aus. Mit dem Aufbau der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück 1958/59 bemühten sich auch männliche Überlebende um eine Aufarbeitung ihrer Lagererfahrung und vernetzten sich in Überlebendenverbänden oder vereinzelt im Internationalen Ravensbrück Komitee.

Menachem Kallus

Der jüdische Junge Otto (später Menachem) Kallus (1932–2018) wurde 1944 zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern aus den Niederlanden in das KZ Ravensbrück deportiert. Dort trennte ihn die SS von seiner Familie und brachte ihn in das Männerlager. Trotz der schwierigen Bedingungen fand er Halt in Freundschaften mit anderen Jugendlichen.

Von Westerbork nach Ravensbrück – der Weg der Familie Kallus

Otto Kallus war acht Jahre alt, als die Niederlande von den Deutschen besetzt wurden. Die antijüdischen Maßnahmen nahmen immer mehr zu. 1942 wurde die Familie verhaftet und in das Durchgangslager Westerbork deportiert. Von dort verschleppte die SS Otto Kallus, seine Mutter und seine beiden Geschwister in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück.

Kinder und Jugendliche im Lager

Im KZ Ravensbrück waren mindestens 900 Kinder und Jugendliche inhaftiert. Jungen ab 12 Jahren schickte die SS zumeist ins Männerlager. Die Jüngeren verblieben wie die Mädchen bei den weiblichen Häftlingen. Erwachsene Mithäftlinge organisierten heimlich Spiele und Unterricht. Sie wurden oft zu Bezugspersonen für Kinder ohne Angehörige.

Trennung der Familie Kallus

Im Oktober 1944 wurde Otto Kallus von seiner Mutter getrennt und zusammen mit dem gleichaltrigen Doni Kraus in das Männerlager verlegt. Dort lebten sie mit anderen Kindern in einer separaten Baracke und wurden zur Zwangsarbeit in einer Schuhmacherei eingesetzt. Zusammen wurden die beiden Kinder Anfang 1945 nach Sachsenhausen deportiert.

Selbstbehauptung durch Freundschaften

Im Lager waren Freundschaften oft überlebenswichtig. Häftlinge teilten Lebensmittel und Kleidung, pflegten einander bei Krankheit und schützten sich gegenseitig vor den Repressionen der SS. Enge Beziehungen formten sich innerhalb nationaler Haftgruppen und unter weltanschaulich Gleichgesinnten. Viele dieser Freundschaften überdauerten die Haftzeit und hielten ein Leben lang.

Video-Interview mit Menachem Kallus

Im Interview von 2007 schildert Menachem Kallus seine Deportation nach Ravensbrück, die Trennung von seiner Mutter und die Zeit im Männerlager. Er spricht über Zwangsarbeit, Freundschaften als Überlebensstrategie und den Todesmarsch in das KZ Sachsenhausen.

Überleben und Emigration

Von Sachsenhausen aus wurde Otto Kallus auf einen Todesmarsch getrieben, bis er Anfang Mai 1945 nahe Schwerin befreit wurde. Er kehrte in die Niederlande zurück und traf dort seine Geschwister Emmie und Rudi wieder. Ihre Eltern hatten die Lager nicht überlebt. Später emigrierte er nach Israel, nahm den Namen Menachem an und engagierte sich als Zeitzeuge.

Themen

Der Lagerkomplex Ravensbrück

Alltag im Lager

Transporte

Täterschaft

Selbstbehauptung und Widerstand

Zwangsarbeit

Walter Stanoski Winter

Walter Stanoski Winter (1919–2012) wurde im März 1943 zusammen mit seinen Geschwistern Erich und Maria in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und im sogenannten “Zigeunerlager” inhaftiert. Anfang August 1944 verschleppte die SS ihn, seine Frau Bluma und seine Geschwister in den Lagerkomplex Ravensbrück.

Als Sinto in Ostfriesland

Walter Winter kam 1919 in Ostfriesland zur Welt. Bereits in seiner Jugend erfuhr er rassistische Diskriminierung. 1939 „arisierten“ die Nationalsozialisten das Haus der Familie und vertrieben sie aus ihrem Heimatort. 1940 zog die Wehrmacht Walter ein. Ab 1942 musste er Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten. 1943 verschleppte die Polizei ihn ins Konzentrationslager.

Haftzeiten

In Ravensbrück trennte die SS Walter Winter und seine Frau Bluma voneinander. Er und sein Bruder wurden im Männerlager inhaftiert, während seine Frau und seine Schwester ins Frauenlager kamen. 1945 verlegte die SS die Brüder in das KZ Sachsenhausen und zwang sie von dort aus mit der SS-Sondereinheit Dirlewanger als Soldaten an die Front. Kurz vor Kriegsende ergaben sie sich.  

Kontakte zwischen dem Frauen- und Männerlager

Das Männerlager Ravensbrück befand sich in einem eigenständigen Bereich innerhalb des Frauen-Konzentrationslagers. Es war nicht von einer Mauer, sondern nur von einem Zaun umgeben. Dadurch konnten die männlichen und weiblichen Häftlinge sich gegenseitig sehen und gelegentlich miteinander in Kontakt treten.

Flüchtiger Austausch

Walter Stanoski Winter berichtete in der Nachkriegszeit, dass er bei der Zwangsarbeit als Tischler Fenster in die Baracken des Frauen-Konzentrationslagers einsetzen musste. Dabei traf er auf seine Frau Bluma und nutzte diese Gelegenheit, um mit ihr zu sprechen, trotz drohender Bestrafung.

Nach dem Krieg

Wegen ihres Dienstes in der Wehrmacht mussten sich die Brüder Walter und Erich Winter nach dem Krieg einer Entnazifizierung unterziehen.

Sie wurden entlastet. Für ihre Verfolgung erhielten die Geschwister Winter später nur eine geringe Entschädigung. Bis zu seinem Tod 2012 setzte sich Walter für die Erinnerung an die Verfolgung der Sinti:zze und Rom:nja ein.  

Jozéf, Menachem, Walter und die anderen

Im Männerlager Ravensbrück waren mehr als 20.000 Menschen inhaftiert. Neben den bereits vorgestellten Biografien können hier weitere Lebensgeschichten entdeckt werden.